Das ENTITLE-Netzwerk (Europäisches Netzwerk für politische Ökologie) hat eine neue Publikation herausgebracht, welches sich an Nicht-Regierungs-Organisationen richtet und eine Art Handbuch darstellt: “Political Ecology for Civil Society” (Freier Download direkt hier). Damit ist es ein Versuch, explizit politische Ökologie aus den Hörsälen und Seminaren in die Welt des politischen Aktivismus zu tragen. Denn: Politische Ökologie (political ecology) ist eben nicht nur ein interdisziplinärer Ansatz in den Wissenschaften, sondern auch eine grundsätzliche Haltung zu Mensch-Natur-Verhältnissen, die Machtmechanismen kritisch hinterfragen und Veränderungen herbeiführen möchte.
This manual is the first to explicitly introduce political ecology to a broader non-academic audience. In designing the manual, we were inspired by the work of others who have approached the issue of activism from a practical, educational and theoretical point of view to do similar work for related topics, including bottom-up research projects and postnormal science.
Zunächst einmal behandelt das Werk etliche Fallstudien und grundsätzliche Fragen in fünf Komplexen: Es geht um Umweltkonflikte, um die katastrophischen ökologischen Folgen eines ungebremsten kapitalistischen Wachstums (disaster capitalism), um die Frage der Gemeingüter (commons), um soziale Bewegungen und um Demokratie. Die Fallbetrachtungen sind weit gestreut: Brasilien, Griechenland, Italien, Rumänien, Bolivien, Äthiopien und Mexiko, um nur einige zu nennen. Etwas typisch für ENTITLE ist dieser Fokus auf Süd(ost)europa und Lateinamerika, das geht aber prinzipiell in Ordnung.
Unterm Strich wird der lesenswerte Sammelband aber seinem hohen Anspruch leider nicht gerecht. Das fängt an beim Layout, das typographisch nicht gerade großzügig oder grazil daherkommt. Zwar gibt es jede Menge Fotos, Karikaturen und Karten, aber es entsteht der Eindruck, als ob das alles recht schnell zusammengestellt sei. Vor allem aber verbleiben die Artikel im akademischen Duktus. Es fällt keiner und keinem der AutorInnen ein, mal die Erzählweise, den Stil zu ändern. Die Übertragung akademischer Forschungsgegenstände auf den Aktivismus ist eher nicht gewährleistet. Es fehlt eine pragmatische Darstellung von Formen des Widerstands wie etwa Aktionskunst, Medienaktivismus, Strategien der Mobilisierung. Das leisten eher aktionismusorientierte Werke wie etwa Beautiful Trouble (A Handbook for the Revolution) oder Crimethincs “Recipes for Disaster”. Insbesondere vermisse ich Hinweise auf gute Projekte wie den Environmental Justice Atlas, der sich von UmweltaktivistInnen sicher gut nutzen lässt. Damit wird das Projekt als Handbuch für NROs in der Tendenz unbrauchbar. Was es leistet, ist die systematische Zusammenstellung von einzelnden Fällen, die der Erläuterung von Schlüsselkonzepten dienen.